Chierlins (L.A.) Sjörmäns [!] dagelige Assistent &c. (L.A.C. tägl. Beystand des Seemanns, oder Anweisung in den nöthigsten Stücken der Seefahrtswissenschaft mit den dazu nöthigen Figuren und Tabellen u.s.w.) Stockholm, bey Holmerus. 1777. 4. 1 Alph. 19 Bog. 1 Rth. 16 Sch.

Es gereichet dem Verfasser, welcher Vorsteher bey der stockholmischen Navigationsschule ist, zum Verdienste, dieß nützliche und wichtige Werk ausgefertiget; der stockholmischen Kauffarthey-Seemannshausdirection zum Ruhme, es zum Drucke befördert, und der Holmerussischen Presse zur Ehre, es mit wirklich schönen lateinischen Lettern aus der Druckerey geliefert zu haben. Das sauber gestochene Titelblatt stellet unten einen kleinen niedlichen Anblick des Hafens und der Stadt Stockholm von der Seeseite dar.

War es ein kühnes Unternehmen für die Menschen, sich auf ein solches unsicheres Element, als das Wasser ist, zu wagen: so ist es nicht minder ein großes Unternehmen, die Kunst, jenes zu beschiffen, in sichere Regeln zu fassen; nun, ohne Wege vor sich zu sehen, die Meere zu befahren, als wären überall Wegweiser aufgestellet; in Gegenden, wo nichts als Himmel und Wasser ist, seinen Standert mit Zuverläßigkeit bey Tag und Nacht zu wissen, endlich von einem Orte abzureisen, und, wofern Gott vor Unglücksfällen bewahret, an dem vorgesetzten andern Orte, es mögen so viele hunderte, ja tausende von Meilen darzwischen seyn, als wollen, ohne Verwirrung anzulanden.

Freylich hat es Jahrhunderte, ja Jahrtausende hindurch Mühe und Erfahrungen, Bekanntschaft mit andern Wissenschaften, wagende Unternehmeungen und Gefahren gekostet, ehe die Schiffahrtskunde sich zu einer Wissenschaft emporheben können. Die Geschichte der Schiffahrt ist deswegen trotz der ganzen übrigen Geschichtkunde überaus angenehm, lehrreich und zur Kenntniß des menschlichen Verstandes und Unternehmungsgeistes in der That wichtig; die Navigationswissenschaft aber eine der erhabenern praktischen Kenntnisse, deren Erlernung vieles foderte, die aber auch auf das ganze Wohl, ja die sämmtliche Lage des menschlichen Geschlechts die merkwürdigsten und auffallendsten Winflüsse und Folgen hat.

Hat Schweden nicht im Großen die glänzende Figur in der Schiffahrt und der Schiffahrtskunde gespielet, als manche andere Nationen; so hat es doch auch manchen darinn nichts nachgegeben, sondern noch wohl übertroffen, und das Buch, dessen Titel so eben angezeiget worden, und wovon ein kurzer und getreuer Inhalt hier dargestellet werden soll, giebt davon ein rühmliches Beyspiel.

Es zerfällt solcher nicht uneben in zweene Haupttheile; davon der erste die eigentliche Theorie, der zweyte aber Tabellen und Berechnungen liefert; jener auf 21 und dieser auf 22 Bogen.

Die Theorie is in zwölf, doch an Weitläuftigkeit sehr ungleiche Abschnitte eingetheilt, worinn entweder das aus andern Wissenschaften Entlehnte, oder das der Schiffahrtskunde Eigenthümliche vorgetragen wird. 1) Die Geometrie legt den nöthigen Grund vermittelst der erfoderlichen Erklärungen, Grundsätze, Lehrsätze mit ihren Beweisen und Corollarien. 2) Hierauf wird die Trigonometrie, sowohl die rechtwinklichte, als auch die schiefwinklicht-geradlinichte zu Hülfe genommen, und daraus die nöthigen Beyspiele in allerley Fällen mit ihren geometrischen und arithmetischen Auflösungen zu Hülfe genommen. 3) Zum Behuse der Höhenmessung werden die erfoderlichen Grundsätze aus der Geographie und Astronomie; die Refractions- und Correctionstafeln; die Declinations-Veränderungstafel für jeden zehnten Grad der Meereslänge; Tabellen über die Mittagsdeclination der Sonne für den stockholmischen Meidian bis zum Schlusse dieses Jahrhunderts, benebst einer Tabelle über die Declinationsveränderung auf 20 nachfolgende Jahre beygebracht. Unter den verschiedenen astronomischen Aufgaben mit ihren Beyspielen und Auflösungen kommen folgende vor: Die gegenwärtige Declination der Sonne, ihre wahre Stelle in der Ekliptik, ihre rechte Ascension, rechte Weite, Ascensionalunterschied, schiefo [?] Ascension und Descension, Auf- und Niedergangzeit und die daraus folgende Tages- und Nachtlänge, ihr eigentliches Azimuth, die Nacht- und Tageszeit, endlich die Zeit, wenn ein Stern im Meridian und was für ein Stern es ist, ausfindig zu machen. Zur Kenntniß der Fixsterne sind auch die nöthigen Tabellen eingedrücket, als: über die zwölf sogenannten himmlischen Zeichen, die Sternbilder der Norder- und Süderbreite, ihre rechte Ascension und Declination des Jahres 1750 mit ihrer Grötze und Differenz in der Declination auf 100 Jahre. 4) Bey der Zeitrechnung wird gezeiget, wie man das Sonnen-Cyclusjahr und die Sonntagsbuchstaben, den Mondcyclus, die Epakte, des Mondes Alter und Culminationszeit u. vgl. ausfindig machen, auch die Ebbe und Fluth in den verschiedenen Häfen berechnen solle. Diese Arbeit in der Ausrechnung der Wasserzeit zu erlechtern, sind Tabellen bis auf das Jahre 1795 auf alle Tage, und noch überdieß eine besondere in alphabetischer Ordnung über die Wasserzeite für verschiedene Küsten, Meerbusen und Häfen wo an den Neu- und Vollmondstagen hohes Wasser ist, eingerücket. Man erstaunet und freuet sich, wie weit es die Wahrnehmungen der Menschen auch in diesem Stücke gebracht haben. 5) Bey dem Compasse wird unter andern gezeiget, wie man die umrichtige Weisung desselben berechnen solle, sowohl durch Amplituden (daher auch Amplitudstabellen eingerücket sind) und Azimuthe, als auch durch die Beobachtung des Gegenstandes bey seinem Auf- und Niedergange; __gleichen wie der Compaßstrich zu verbessern sey. 6) Von dem Senkbleye und halben Minutenglase wird der Gebrauch bey allerley vorkommenden Fällen gezeiget. 7) Das Plansegeln zu erläutern, wird folgende Tabelle des Laufs eines Schiffes S. 134. entworfen:

Curse. Entfern. Untersch. d. Breit. Abweichungen.
Strich. Meilen Nord. Süden Osten. Westen.
NO 30 21. 21 - - 21. 21 - -
SSO 25 - - 23. 10 9. 57 - -
Norden. 50 50. 00 - - - - - -
ONO 42 16. 07 - - 38. 80 - -
Süden. 21 - 21. 00 - - - -
NO nach N¼O 56 44. 98 - - 33. 36 - -
Westen. 28 - - - - - - 28. 00
NW 48 33. 94 - - - - 33. 94
166. 20 44. 10 102. 94 61. 94
44. 10 61. 94
Allg. Untersch. in der Breite. 122. 10 Alg. Abw. 41. 00

8) Bey dem Stromwerfen oder den Veränderungen, welchen die Schifffahrt durch den Lauf der Ströme im Meere erleidet, wird eine Anweisung gegeben, ihren Lauf und Stillstehen zu erforschen, sowohl wenn man vor Anker liegt, als auch auf der Fahrt ist, ingleichen auch das Wegtreiben zu berechnen. 9) Nachdem der Verfasser das Nöthige von den Seefahrten längst den Küsten; 10) der Parallel- oder Ost- und Westsegelfahrt, und 12) dem Segeln nach der sogenannten wachsenden Seecharte, vorgetragen hatte, kömmt er endlich 13) auf die Art und Weise, wie man ein Seejournal oder Tagebuch zur See halten solle. Da hierauf, wie bekannt ist, so gar viel ankömmt, so setzt er dieß alles in das gehörige Licht, und liefert auch S. 160 und 161. dazu einen Entwurf in einer Tabelle.

Der Ueberrest, welcher sich mit einer besondern Bogenzahl anfängt, und einen Bogen stärcker als das vorhergehende ist, besteht fast allein aus Tabellen in Zahlen und ist also keines Auszugs fähig. Es sind folgende: Tabellen für den Unterschied in der Breite und Abweichung für Grad 1 bis 45. benebst ihrer Anwendung; Tabellen zu eben dem Behuse für ¼ bis 4 Striche; eben dergleichen für die wachsende Meridionaltheile; und eine für die Logarithmen von 1 bis 10000, mit einer andern über die logarithmischen Sinus und Tangenten für jeden Grad und Minute des Quadranten. Die letzte liefert die Breite und die Länge der Lage von verschiedenen, etwa 700 Städten, Vorgebirgen, Inseln und Gründen, wobey die Berechnung der Länge von dem Meridian der stockholmischen Sternwarte geschieht.

Der Anhang lehret theils, wie man durch gewisse Regeln und der Ausrechnung neuer Logarithme-Sonnentabellen die Breite auf der See ausfindig machen kann, wobey der Verf. in einer Note R. Harrisons Logarithme Solar Table &c. London 1765. anführt; theils liefert er ein Verzeichniß derjenigen Punkte aus der Seefahrtswissenschaft, über welche das öffentliche Examen mit den Seefahrenden angestellet wird.

In einem Buche, welches fast aus unzählbaren und bey vielen Bogen bloß aus Zahlen besteht, sollte man eine beträchtliche Menge von Druckfehlern vermuthen; indessen, ob ihrer gleich mehrere, besonders in den vielen Tabellen, sind, als hinten auf einer Quartseite angegeben werden, sollen sie doch nach dem Urtheile eines competenten Richters von der Art seyn, daß zugelernte Seefahrer dadurch nicht in die Irre geführet werden.

Die hier angezeigte Auflage ist nun bald vergriffen und es wird alsdann an eine neue gedacht werden. Der Rec. ist unterrichtet, daß dabey solche Verbesserungen und Vermehrungen vorgenommen werden sollen, wodurch der große Endzweck, die Seefahrtskunde auf den möglichsten Gipfel der Vollkommenheit zu erheden, je mehr und mehr errichtet werden wird. Zu weichem Ende dem Verfasser Munterkeit, Gesundheit und Leben von dem Patrioten und Menschenfreunde anzuwünschen ist; da es hier nicht auf leere Specualtionen, sondern auf den Wohlstand und das Leben unzähliger Menschen ankömmt.


Christoph Wilhelm Lüdeke: Allgemeines Schwedisches Gelehrsamkeits-Archiv unter Gustafs des Dritten Regierung. Dritter Theil für die Jahre 1777, 1778 und 1779.
Johann Friedrich Junius, Leipzig, 1786. pp 3-9.


Transcribed by Lars Bruzelius.


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