I.

Vom Mittelpuncte
der Schwere in einem Schiffe,
und dessen vortheilhafter Stellung,
in Absicht auf die Fahrt des Schiffes,

durch
Gilbert Scheldon,
Schiffsbaumeister.

Man glaubet, der Mittelpunct der Schwere in einem Schiffe sey nicht zu finden, wie einige den Mittelpunct der Schwere überhaupt leugnen; aber da man klare und überzeugende Beweise hat, daß ein Schiff sowohl, als alle andere schwimmende Köper und Lasten, seinen Mittelpunct der Schwere erfordert, so zeiget dieses an, daß die letzte Meynung, als der Natur zuwider, keine Widerlegung verdient. Der Herr Commercienrath, Polhem, hat in seinem ungedruckene Werke im 5. Capitel vom Gleichgewichte im Wasser, so deutlich, als der berühmte Franzose Paul Hoste, in seiner Theorie de la Construction des Vaisseaux II. Cap. des I. Th. weitläuftigen Unterricht von der Wahrheit und Gewißheit des Mittelpuncts der Schwere gegeben. Aber den Ort zu bezeichnen, wo der Mittelpunct der Schwere des Schiffes, der Länge, Breite, und Dicke nach, befindlich ist, ist noch unbekannt, und hat manchen viel Kopfbrechens und Arbeit verursachet.

In der Breite befindet er sich allezeit in der Mittellinie durch den Kiel, wenn der Bau des Schiffes auf beyden Seiten gleichförmig ist, aber der Länge nach verrücket er seine Stelle nach Beschaffenheit des Baues des Theiles vom Schiffe, der sich im Wasser befindet, und dessen gehöriger Bildung, wovon unten weiter soll geredet werden: doch ist seine Tiefe am meisten unbekannt, und am schwersten die Stelle des Schwerpunctes darinnen zu suchen, weil viele Umstände solches verhindern, als der Bau des Schiffes selbst, die inwendige Ausrüstung, Ammunition, Proviant, Besetzung und Ballast, welches alles ungewisse Oerter hat, und bald höher, bald tiefer liegt, auch bald hier bald da im Schiffe seyn muß, zumal da der Ballast theils aus Eisen, theils aus Steinen bestehen kann, welches mehr oder weniger Raum einnimmt, und verschiedene Schwere hat. Dies alles verrücket der Schwerpunct in der Höhe und Tiefe, und verursachet, daß ein Schiffsbaumeister nicht genau den Ort anzeigen kann, um den ein so großer und unordentlicher Körper im Gleichgewichte steht; ob er wohl doch einigen Unterricht von dem den Schwerpunct des Schiffes und des aus seiner Stelle getriebenen Wassers, sowohl als von dem Theile des Schiffes, der sich im Wasser befindet, haben solle, damit er bey Verfertigung des Risses, derselben Beschaffenheit zulänglich überleget und in acht nimmt, wie sie sich gegen einander verhalten, daß sie näher zuzammen kommen, oder weiter von einander bleiben.

Uebrigens gehöret es für einen erfahrnen Seemann, seines Schiffes Ballast, Wasser und Proviantvorrath, recht einzurichten, wie es die Regierung des Schiffes erfordert und verträgt, damit der Schwerpunct des Schiffes nicht zo hoch kömmt, wovon es leicht umschlägt, noch durch überflüßigen Ballast zu tief gesenket wird, wovon en unbehülflich wird. Denn wie ein scharfes Schiff kann unbehülflich, und ein flaches unbehülfliches Schiff leicht und schwankend gemachet werden; so läßt sich ein wohlgebautes Schiff sowol schwankend als unbehülflich machen, ohne daß der Baumeister Schuld hätte. Aber daß die obere Schwere nicht die Ueberwucht über die untere erhalten soll, ist unter andern auch eine Ursache, warum ich die Besetzung mit Stücken zum Grunde bey Berechnung der ganzen Schwere geleget habe.

Sonst habe ich gefunden, daß der Mittelpunct der Schwere in der Länge eines Schiffes, oder der Gleichgewichtspunct am sichersten aus der Belastung und Wägung des Modells folgendermaßen zy berechnen ist.

Im Modelle wird zwischen beyde Steven ein eiserner oder hölzerner Balken gesetzet, der an der untern Ecke so scharf ist, als ein Schnellwagebalken; man giebt genau Achtung, daß dieser Balken, der wohl an den Steven befestiget wird, recht in des Modells Mittellinie zu liegen kömmt, und an dem Balken ist ein eiserner Haken, der sich verschieben läßt. Wenn das Modell solchergestalt zugerichtet ist, wird es in das Wassermaaß gesetzet, und bis zur Wasserlinie auf vorbeschriebene Art beschweret[105] *, da man nur sein Gewichte und seinen Raum im Wasser erfahren wollte, alsdenn erhebt man es vermittelst des hin und her beweglichen Hakens, bis man es ins Gleichgewichte bringt, und da weiset der Haken die Stelle des Schwerpunctes in der Länge des Schiffes.

Es ist in vielen Fällen höchstnöthig, von diesem Gleichgewichtspuncte, der auf vorige Art kann gefunden werden, Nachricht zu haben, und en gehöret unter die wichtigsten Theile, die ein Schiffsbaumeister wissen muß, weil die Stellung der Maste, und die größte Breite des Schiffes darnach unter andern einzurichten sind: da sont dieses zu große Veränderung in der Fahrt und dem Seegeln des Schiffes verursachet, wovon ich jetzo gleich reden will.

Was also die Fahrt des Schiffes in der See angeht, so hat mein seliger Vater zu seiner Zeit damit verschiedene Versuche gemachet, die ich nach ihm mit besonderm Fleiße fortgesetzet, und dabey des Herrn Commercienrath Polhems erfundene bekannte Maschine zu nutzen, nicht unterlassen habe, vermittelst welcher zu wissen ist, wie der Schiffsbau sich befördern läßt.

Der Herr Commercienraht giebt Anleitung zu verschiedenen Versuchen mit dieser Maschine, die aus einer solchen Rinne von 3, 5, oder 6 Fammar Länge besteht, wie der Herr Commencienraht [sic] in seinem Manuscript beschrieben hat. Bey meinen erwähnten Versuchen, die ich mit allerley ungleich gestalteten Modellen auf verschiedene Art angestellet habe, habe ich einen merklichen Unterschied zwichen zwey Schiffen von gleicher Länge, Breite und Tiefe, und gleich großem und schwerem Körper darinnen gefunden, daß des einen größte Breite weiter nach vornenzu als des andern war, wornach des untern Theils im Wasser seine Gestalt eingerichtet ward, daß sie hintenzu schärfer und spitziger ward, als bey dem anderen, welches vornezu schärfer und spitziger war; dadurch bekam der Gleichgewichtspunct in beyden ungleiche Stellen, und verrückte sich dergestalt, daß er in dem ersten weiter vor, und in dem letzten weiter hinter fiel. In Ansehung dieses ward versuchet, daß dasjenige, das hintenzu am schärfsten, und vornezu am völligsten war, und den Gleichgewichtspunct weiter vornezu hatte, auch die beste Fahrt und einen schmeidigern Lauf als das andere wies, und sogleich besser steuerte und seegelte, so, daß daraus offenbar erhellete, daß die stärkere oder schwächere Fahrt des Schiffes daher rühret, je geschwinder und mit geringerer Mühe ein Schiff mit seinem Boog das Wasser bis zu seiner größten Breite zertheilen und aus seiner Stelle treiben kann, und dadurch für den Körper des Schiffes unverhindert Raum zum Durchlaufen läßt, und je weniger Zeit und Platz das Wasser hat, auf die Seiten des Schiffes zu drücken, auch je schneller das Wasser, nachdem es zertheilet worden, abgeht, und hinter dem Schiffe zusammen flietzt; desto besser seegelt und fährt das Schiff, weil eine langsame Zertgeilung, längeres Drücken, u.d.g. den Lauf des Schiffes unvermeidlich hindern, wie die erste und zweyte Zeichnung der V. Platte nach der Wasserlinie deutlich anzeigen.

Die Figuren, N. 1, und 2, sind zwo Wasserlinien oder Durchschnitte des Schiffes, mit der Wasserfläche parallel, welche weisen, wie tief das Schiff geht, und die beyden ersten niedriger als die letzten.

A. die Hintersteven, und B. die Vordersteven, geben die Mittellinie.

ADB ist tiefer unter dem Wasser, als ACBCDE. ud 1.2.3. ist der Ort von der größten Breite des Schiffes.

Aus diesem Durchschnitte erhellet, woher es kömmt, daß ein Schiff besser seegelt, als das andere, welches davon herrühret, nachdem die Brust oder der Boog BGK und BIM räumlicher und völliger als B58 und B7D ist, weil das Wasserzertheilen und aus einander treiben, desto geschwinder von B nach K und von B nach M geschieht, als von B nach 8, und von B nach D, nachdem der Unterschied zwischen K8 und MD ist; denn so lange das Wasser gegen das Schiff drücket, so lange hindert es desselben Lauf, aber nachgehends läßt es dem Schiffe freyen Lauf, und beschweret es nicht mehr, als bis es anfängt wieder abzunehmen und zusammen zu fließen, welches hier bey L9, und 12, 10 geschiet, woraus erhellet, daß es ein Schiff nicht weiter drücket noch beschweret, wenn das Wasser erstlich gelinde abläuft, wie bey L und 12 gewiesen wird, und nachdem dem Ruder freye Bewegung läßt, welches bey den Linien AFL und AH12 eher, als bey A4, 9, und A6, 10 geschiet; L9, und 10, 12 weisen den Unterschied darzwischen, welches für ein Schiff, das gute Fahrt haben soll, höchstnothwendig ist. Hieraus ist gleichfalls zu schlüssen, daß ein Schiff, welches seine größste Breite und sinen Gleichgewichtspunct weiter vor hat, auch vornenzu völliger und hintenzu schärfer ist, wie AFCGB, und AHDIB anzeigen, stärker und besser fährt [107] *, auch weiniger Kraft durch die See gebracht zu werden erfordert, als ein anderes, dessen größte Breite und Gleichgewichtspunct weiter hinter fallen, wie die Linien A4. C5. B. und A6. 10. 7. B bezeichnen. Ebenfalls steuert das Schiff besser, wenn es scharf ist, und eine schmeidige eingebogene Wasserlinie hat, weil solche einen starken und reinen Lauf des Wassers zum Ruder giebt, wie aus der Seite N. 2. an der Figur erhellet, wo OA das Ruder ist, das am Steuerbord liegt, da die Winkel OAH, OAQ, OAR, und OAF größer sind, und einer reinern Lauf zum Ruder geben, als OA6, OAP, OAS, und OA4, welche alle nicht so viel Wasser zum Ruder kommen lassen, als die vorigen, und nach welchen das Wasser selbst mehr gerade auf das Ruder fällt, welches die Fahrt beym Wenden verhindert, und verursachet, daß das Schiff aus seinem Wege weicht, auch gern schwere Wellen hintenaus läßt, wie auch in den Schiffen die platten Wasserspiegel haben, wodurch viel todtes Wasser, zu Hinderniß der Fahrt des Schiffes, nicht gern ausweicht, so, daß in Ansehung vorhergehender Umstände, unleugbar folget, daß ein Schiff, das wohl steuert, auch wohl seegelt; und dieses kömmt auf die Gestalt des Schiffes an, die gleichwol, seit dem Anfange des Schiffbaues, verschiedenen Veränderungen unterworsen gewesen ist.

Der geöehrte Loccenius hält fast dafür, daß, nach Anleitung der Worte: Herrscher über die Fische im Meer; im 1 B. Mos. 1. Cap. 28. Vers. der Schiffsbau, seit Erschaffung der Welt, im Schwange gegangen, weil die Herrschaft über die Fische im Meere, wie er anführet, ohne Schiffe und Fahrzeuge unmöglich scheint. Sollte man nun diese Art Schiffe und Fahrzeuge mit den spätern vergleichen, so bin ich versichert, sie würden nichts Uebereinstimmendes haben, als daß beyde im Wasser schwimmen können.

Nicolaus Witsen hält in seinem holländischen Werke vom Schiffbaue dafür, die Schiffahrt sey vor des Noah Zeiten gewesen [109] *, und beschreibt dabey, wie sie nach des Noah Zeiten weiter fortgesetzet worden, weiset auch, was für wunderbare Fahrzeuge die alten Völker gebrauchet haben, die hinten sehr völlig, vornezu aber spitzig waren, und die größte Breite in der Hälfte der Länge hatten. Sie hatten kein Steuerruder, sondern brauchten an dessen Stelle eine Art kurzer Ruder, auf jeder Seite eines, mit breiten und kurzen Ruderblättern, sie warfen auch Anker, und zogen solche hinten über, wie in der Apostelgeschichte 27. Cap. 29. B. beschrieben wird, da der Apostel Paulus an die Insel Melite mit einem Schiffe im Sturm kam, das groß und ansehnlich gewesen seyn muß, wie sich aus demjenigen schlüßen läßt, was von seiner Ausrüstung, den Gütern und der ganzen Last, die sie von einem Tage zum andern über Bord warfen, das Schiff zu erleichtern, gesaget wird; auch daraus, daß 276 Seeleute am Bord waren. Von diesem Schiffe heißt es, sie hätten aus Furcht bey Nacht auf den Grund zu kommen, hinten vier Anker über das Schiff geworfen, woraus sich schlüßen läßt, daß das Schiff seine Anker hinten gehabt, und folglich hinten weiter als vornen gewesen, welches alles in den folgenden Zeiten von den Nachtkommen ist verändert worden, da sie nachgehends die Gestalt nach den Seevögeln und Fischen eingerichtet haben; denn man findet, wie wunderlich der große Meister der Natur einem Fischemehr Vortheil und gewisse Eigenschaften vor den andern gegeben hat, dadurch schnell zu schwimmen, und nach seiner Nahrung zu fahren, andere aber sich gegen ihre Feinde wehren können, so, daß man sieht, daß alle Fische, welche die schnellste Fahrt haben, nämlich diejenigen, welche Floßfedern und Schuppen haben, vorne am völligsten, und hintenaus schmäler sind, auch gemeiniglich lang und schmal, und beym Drittheile am breisten sind, daß die Seiten von dar innerhalb der halben Länge nach und nach abnehmen, und am Schwanze spitzig zusammen laufen. Sie haben zugleich runde Köpfe, wie der Delfin, die Makrille, und der Hecht &c.; da man findet, wie der Hecht, wenn er mit seinen Floßfedern und seinem Schwanze nur einen Schlag gethan hat, ohne weitere Bewegung auf dieser Fahrt, wie ein Pfeil ein groß Stücke fortfährt, welches man der geschmeidigen Gestalt seines Körpers mit Grunde zuschreibt.

Und daß diejenigen, welche sich auf diese mechanische Wissenschaft geleget haben, immer mehr und mehr nachgesonnen und genauer bemerket haben, das habe ich aus den Zeichnungen gesehen, die mein sehliger Vater in Schweden vor 80 Jahren nach gebaueten Schiffen gemachet hat, wo die größte Breite in 7/16 der Länge des Schiffes von vornezu fiel, in Ansehung dessen der Gleichgewichtspunct etwas weniges weiter vor kam, als die halbe Länge des Schiffes beträgt. Nachgehends hat man ihn in späten Zeiten noch weiter vorgerückt, nämlich 2/5 und 3/8 von vornen, welches letztere am dienlichsten ist, da der Gleichgeichtspunct ohngefähr 1/32 weiter vor, als die Hälfte der Schiffslänge fällt. Und ob es wol scheint, als wäre dieser Punct nicht zureichend, dem Drucke und der Kraft, welche Wind, Seegel, und Takelung beym Seegeln erfordern, sowohl als der Schwere der Anker, zu widerstehen, das solches alles vorne aufs Schiff drückt: so ist doch zu merken, daß alle Schiffe, in Ansehung dieser Umstände, des Wendens und Sturmes wegen, hintenzu oder nach dem Steuerruder mehr beschweret werden, daß sie ein, anderhalb, und zwey Fuß daselbst tiefer gehen, alles nach den Umständen, wie das Schiff beym Seegeln mit dem Vordertheile niedergedrücket wird, und die stärkere oder schwärere Kraft des Windes das Schiff swingt, da erwähnter Gleichgewichtspunct ebenfalls seine Stelle vorwärts verrücket, nachdem der Vordertheil über dem Wasser gestaltet ist, und mehr Raum einnimmt, und also im Wasser mehr Widerstand als der übrige Theil vom Schiffe findet, so, daß der Kiel mit der Wasserlinie nochnicht parallel word, und gleichwol das Wasser leicht zum Ruder läßt.

Eben so befindet man, daß das Schiff sehr leichte ober besser fährt, und scheint der daraus fließende Nutzen von unsern Vorfahren eher entdecket, als die übrige Gestalt, von der wir vorhin geredet haben, weil alle ihre Schiffe und Fahrzeuge eine ansehnliche Länge gegen die Breite haben, so, daß 0,25 der Länge zur Breite lange Zeit bey allen Seemächten im Gebrauche gewesen sind, bis Frankreich und England im das Jahr 1700. die Breite vermehret, und den Bau unter dem Wasser zusammen gezogen haben, wobey sie zugleich das Vordertheil und das Hintertheil schärfer machten. Auch bey uns ist sie so vergrößert, daß sie oft 0,27 oder 0,273 beträgt, welches letztere der allerhöchste Grad für Schiffe ist, die gut seegeln, und sich regieren lassen sollen. Da das Wasser langen und schmalen Schiffen viel leichter aus dem Wege geht, und nicht so viel Kraft weggetrieben zu werden, als bey kürzern und breitern, welche mehr Widerstand finden, da sie mehr Wasser bey dem Seegeln zertheilen müssen. In dieser Betrachtung halte ich die Breite von 0,266 oder 4/15 am bequemsten zu Schiffen, die gut seeglen sollen, besser, als wenn man 0,27 order 0,28 der Länge nimmt.

Dieses, und viele oben bemeldete Umstände, welche durch lange Uebung ausgearbeitet worden sind, nebst einem reinen Boden (ren Botn) langer und schmeidiger Gestalt befördern, besonders den Lauf und die Seefahrt des Schiffes. Es sthet nun in eines jeden Gefallen, gehöret aber besonders für die, welche sich auf die Schiffsbaukunst legen, hierinnen weitere Versuche zu machen, und sie bey allerley Zufällen zu bewerkstelligen, die, wenn man nicht allzuviel Ankosten darauf wagen wil, sich am besten durch Modelle machen lassen, da man denn finden wird, daß sich mit vorerwähnter Maschine und Versuchen nicht nur noch mehr Vortheile bey Schiffen ausfündig machen lassen, sondern daß man auch einen zulänglichen Begriff erhält, wie und auf was für Art sich eines gegen das andere im Werke selbst verhält.

Ich für meinen Theil kann wohl gestehen, daß ich von meiner Kindheit an, von meinem seligen Vater so zulänglichen und zuverläßigen Unterricht genossen habe, als nicht viele meines gleichen sich rühmen können; aber die Mühe und die Zeit, die ich zu Handthierung und Arbeitung der Modelle angewande habe, hat mich erst das, was ich von meinem Vater gelernet hatte, recht zu schätzen gelehret, daß ich nun Gottlob den Nutzen davon sehe, und wer dazu Hand anlegen will, wird, wie ich, die darauf gewandte Zeit nie bereuen.

Mich noch weiter wegen der Fahrt des Schiffes zu erklären, so habe ich gleich im Anfange geslaget, daß ein Schiff and und vor sich selbst ein todter Körper ist, der sich ohne eine lebendige Kraft des Windes nicht beweget. Wenn also ein Schiffsbaumeister das Schiff gehörig zusammen gesetzet hat, so kömmt es auf einen guten erfahrnen Takelmeister an, der die Flügel, die Seegel, und das Takelwerk, in die von dem Körper des Schiffes erforderten Verhältnisse daran setzt, so, daß eines mit den andern sich zusammen schicket.

Und wenn beyde nach ihrer besten Ueberzeugung und Erfahrenheit gehandelt haben, so kömmt es noch darauf an, was für einen Kielherrn das Schiff führt. Denn gleichwie ein schwerfälliges Schiff, durch geschickte Stellung der Ladung und Einrichtung des Takelwerks, zu besserm Seegeln gebracht werden kann, so läßt sich auch ein Schiff, dan von seinem Baumeister zum Segeln wohl angeleget ist, mit etwas geringen zwingen und binden, daß es seine Fahrt und natürliche Gewendigkeit verliert, und in der See gleichsam gegen sich selbst arbeitet, daher erfordet wird, daß der Kielherr eines Schiffes ein guter Seemann sey, und sich darauf verstehe, wie durch bedachtsames Regieren mit dem Schiffe beobachtet werden kann, worauf sein Seegeln ankömmt, daß es nicht, wie gesaget, auf ein und andere Art gezwungen und gefunden wird, sondern seine natürliche Beschaffenheit völlig frey zeigen kann.

Solchergestalt können, der Baumeister, der Takeler, und der Führer eines Schiffes, alle drey Schuld seyn, daß es die Fahrt verliert, die es sont haben könnte, wenn sich aller drey Wissenschaft und Kunst im höchsten Grade vereinigte: doch mit dem Unterschiede, daß, was die beyden Letztern in ihren Sachen versehen, gleich kann verbessert und zurechte gebracht werden; aber was der Baumeister versieht, er mag nun das Schiff ungestalt gemachet, oder ihm Vollkommenheiten, die es haben sollte, nicht gegeben haben, läßt sich nie wieder verbessern, wenn das Schiff einmal fertig ist, und die einmal bekommene Gestalt behält. Daher tathe ich einem Schiffsbaumeister, nichts in andern Rissen nach seinem Gutdünken zu ändern, oder etwas darnach zu bauen, aufzusetzen, wenn er nicht zuvor von dem Fehler, den er zu ändern, zu verbessern, gesonnen ist, sichere Kenntniß hat, und zugleich jeder Linie Nutzen, dieser Inhalt und Eigenschaft untersuchet, und bedenkt, wie vorhin gesaget worden ist, weil er sonst seinem Obern für solche unheilbare Fehler Rechenschaft geben muß, die daraus entstehen, wenn er anders bey Zeichung und Auffürung des Schiffes freye Hand hat.


[105] * Siehe dieser Abhandlung. III. Band, 202 Seite. R.

[107] * Dieses betrifft nur die Gestalt des Hintertheils vom Schiffe, mit der Gestalt des Vordertheils verglichen. Aber außerdem läßt sich auch die Gestalt des Vordertheils so bestimmen, daß es so wenig Widerstand, als möglich, im Wasser antrifft, Verschiedene Mathematikverständige haben diese Aufgabe aufgelöset. Man sehe Joh. Bern. Wecke, 1. B. 54. 55. 56. Numer. R.

[109] * Horn in Arca Noae meldet, daß man in Holland Schiffe nach den Verhältnissen der Arche Noah gebauet, und solche zu Lastschiffen dienstlich befunden, ob sie wol so wenig als die Arche Stücken zu führen geschickt gewesen. Indessen giebt er ihre Gestalt dabey nicht vollkommen deutlich an. Man sehe Wiedeburgs Mathes. bibl. Spec. I. Qu. 25. R.


Der Königl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, aus der Naturlehre, Haushaltungskunst und Mechanik, auf das Jahr 1742. Aus dem Schwedischen übersetzt, von Abraham Gotthelf Kästner. ... Vierter Band.
Georg Christian Grund, Hamburg, & Adam Heinrich Holle, Leipzig, 1750. pp 103-113.
The original
Swedish edition was published in Vetenskaps Academiens Handlingar Vol. III (1742).


Transcribed by Lars Bruzelius.


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